Stadtdrats-Beschlussvorlage zu Mobilfunkantennen auf öffentlichen Gebäuden

Für die Sitzung des Freiburger Stadtrats am 28.11.23 steht die Beschlussvorlage GR-23/124 auf der Tagesordnung. Die Beschlussvorlage hat zum Inhalt, dass auf öffentlichen Gebäuden in Freiburg Mobilfunk-Antennen errichtet werden dürfen.

Dazu haben die Vereine ISES-Suedbaden e.V., Feldstärken e.V. und das Aktionsbündnis Freiburg 5G-Frei gemeinsam die untenstehende Pressemitteilung erstellt.

 Pressemitteilung

Die Digitalisierung aller Lebensbereiche ist eine sehr komplexe Angelegenheit und die
„digitale Medaille“ hat neben den Vorteilen auch eine problematische bzw. negative Seite,
so wie jede Technik, die im großen Stil verwendet und genutzt wird. Der Autoverkehr hat
mittlerweile zu viel schädliche Effekte, und ähnlich ist es bei zu intensivem Digitalgebrauch
und beim Mobilfunk.
Im Verkehrsbereich gibt es Fußgängerzonen, Fahrradstraßen, Verkehrsberuhigung,
Geschwindigkeitsbeschränkungen, Nachtfahrverbote, Katalysatoren, Abgasfilter, E-Mobilität
sowie umweltfreundliche Busse und Züge.
Im funkdigitalen Bereich gibt deutliche Warnungen der Wissenschaft und entspr. Vorschläge
und Forderungen von maßgeblichen Verbänden und Gremien sowie alternative Techniken
und Strategien. Auch die Ressourcen- und Stromenergieprobleme werden parallel zum
weiteren Netzausbau immer gravierender.
(s. Beiblatt )
Es ist nicht das erste Mal, dass die offentliche Aufgabe der politischen Gremien, die
Menschen, die Umwelt und das Klima vor weiteren Schädigungen zu schützen, von der
wachstums-orientierten Wirtschaft und von konsum-verwöhnten Bürgern nicht gern
akzeptiert wird. Aber es müssen beide Interessen, staatliche und ökonomische,
angemessen berücksichtigt und politisch einbezogen werden.
Insofern war es vollkommen richtig, dass der Freiburger Gemeinderat sich in der
Vergangenheit mehrmals auf Maßnahmen für einen beschränkten, strahlungs-
minimierenden und vorsorglichen Umgang mit der Funktechnik verständigt hat. Inwieweit die
Verwaltung trotz ihrer zugesprochenen Rechte (VGH 2012) die Beschlüsse beachtet und
umgesetzt hat, sei dahin gestellt. Immerhin hat sie aber 2019 eine Digitalisierungsstrategie
beschließen lassen, in der Folgendes u. a. steht:
– Es gelten die Leitziele Nachhaltigkeit und Gemeinwohlorientierung.
– „Im gemeinsamen Reflexions- und Aushandlungsprozess gehören
Transparenz, Beteiligung und Kommunikation“ wie eine „DNA“ dazu.
– „Bildungs- und Begegnungsorte, an denen sich Menschen mit den Heraus-
forderungen, Chancen u. Risiken der digitalen Transformation auseinander-
setzen“, werden benötigt.
– „Freiburger Nachhaltigkeitskriterien“ und „soziale Teilhabe“ spielen eine
wichtige Rolle.
– Hinsichtlich „Computersucht, Cybermobbing etc.“ müssen die Beratungs-
möglichkeiten „an den tatsächlichen Bedarf“ angepasst werden.
Der o. g. GR-Beschlussvorlage aber gibt freie Fahrt für den Funknetzausbau, ohne dass
„Reflexions- und Aushandlungsprozesse“ zwischen „Chancen und Risiken“ gemeinsam und
transparent mit den Bürgern stattgefunden haben.
Dazu kommt, dass der aktuelle Beschluss nicht dagegen helfen wird, dass der Ausbau des
wichtigen Glasfaser-Breitbandnetzes erheblich stockt. Die Verdichtung des Funknetzes in
der Stadt kann nicht die Alternative sein, weil der Funk-Datenverkehr allein zu 80 % aus
Streaming- und Videofilmen besteht (Umweltbundesamt 2020). Alle wissen :
Ein zukunftsorientierter Wirtschaftsstandort Freiburg braucht stattdessen den schnellst-
möglichen Glasfaser-Netzausbau.
Zur Funkproblematik ist die Debatte keineswegs „vorbei“ (BZ), sondern muss selbst-
verständlich im gleichem Maß fortgeführt werden, wie Technik und Netze fortentwickelt
werden, und zwar auf aktuellem Niveau !
(s. Beiblatt )
Die Debatte muss öffentlich geführt werden und alle Facetten des Problems offen legen, so
dass es zu „gemeinwohl-orientierten und nachhaltigen“ Gemeinderats-Beschlüssen kommt.

gez.

Tjark Voigts Gabriele Schmalz Bernd Budzinski
Vorstand von ISES-Suedbaden  e.V. Vorstand Feldstärken e.V. Aktionsbündnis Freiburg 5G-frei

Beiblatt

1) Gesundheitliche Gefahren der Mobilfunktechnik

  • 2011 : Die WHO klassifiziert eine intensive Funkeinwirkung als „möglicherweise krebserregend“. Mittlerweile haben Tierstudien bewiesen, dass permanente elektro-
    magnetische Funkwellen sich krebsbeschleunigend auswirken können (2017 Prof.
    Lerchl + Bundesamt für Strahlenschutz / 2018 Prof. Lin, USA).
  • 2015 : Die schweizerische Regierung hält die Beeinträchtigung des Gehirns (zen-
    rales Nervensystem) durch Mobilfunk als schon seit Jahren „ausreichend wissen-
    schaftlich nachgewiesen.“
  • 2019 : Das Bundesamt für Strahlenschutz BfS kündigt bzgl. 5G > 20 GHz an, dass
    die ausstehenden Gesundheitsstudien in 2 – 3 Jahren vorliegen würden. Der ange-
    gegliederte Verein ICNIRP stellt fest: „Die Situation ist immer noch unklar. Das kann
    man mit neuen, verbesserten Studien und mehr Tieren lösen.“
  • 2020 : Der Gesundheitsrat der Niederlanden fordert die Zurückstellung des 5G-Netz-
    aufbaus (26 GHz), weil es keine Studien zu den gesundheitlichen Folgen gibt.
  • 2021 : Die Landesärztekammer B´W bestätigt den Mobilfunk als Risikotechnologie
    und fordert Vorsorge-Konzepte sowie funkfreie Zonen in öffentlichen Bereichen.
  • 2021 : Der Technikfolgen-Ausschuss (STOA) des EU-Parlaments veröffentlicht sein
    Gutachten, welches die Mobilfunkstrahlung als gesundheits-gefährdend einstuft.
  • 2022 : Der Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) des EU-Parlaments fordert eine
    strengere Kontrolle der Funkstrahlenbelastung sowie Maßnahmen zum Schutz von
    Kindern, Schwangeren, chronisch Kranken und älteren Menschen.
  • 2022 : Die internationale Kommission ICBE-EMF mit weltweit führenden Experten
    weist nach, dass die geltenden Grenzwerte keine medizinische Schutzfunktion haben.
  • 2022 : Der Technikfolgenausschuss des Deutschen Bundestags widerspricht dem
    Bundesamt für Strahlschutz (BfS) und bestätigt athermische, biologische Wirkungen
    des Mobilfunks sowie diverse Erkrankungsrisiken.
  • 2023 : Die Präsidentin des Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) warnt vor gesund-
    heitlichen Gefahren von 5G . Besonders gefährdet seien Ungeborene, Schwangere,
    Frauen, Kinder, kranke und ältere Menschen.
    (Sender 3sat: https://www.youtube.com/watch?v=ELg_zOuA9Pg )
  • 04.11.2023 : Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) „empfiehlt, die persönliche
    Exposition gegenüber Handys und Smartphones vorsorglich gering zu halten . . .
    Vor allem Kinder sollten möglichst wenig Strahlung ausgesetzt sein.“
    (Badische Zeitung, Schlusssatz im Bericht über Handynutzung und Spermienqualität)

2) Gesellschaftliche Gefahren der Mobilfunktechnik

  • für Klima und Umwelt
    Generell ist mit dem Ausbau der Funktechnik und der entspr. Netze eine enorme
    Steigerung bei der Datenverarbeitung in den riesigen Computerzentralen verbunden.
    Entspr. steigert sich von Jahr zu Jahr ihr Kühlstrom-Bedarf. Aber diesem kann die
    klimaneutrale Produktion von Ökostrom wegen anderer wichtiger Stromabnehmer
    absehbar nicht nachkommen.
    Schon heute ist der CO-2-Ausstoß durch die IKT-Technik weltweit höher als durch
    den Flugverkehr. Der Datenverkehr nimmt weiter unablässig zu (Streaming, 5G ,
    etc.) und der Strombedarf wird bis 2030 um 300 % steigen (s. TA Dtsch. Bundestag).
    Die mobile Funkverbindung ist eigentlich nur „outdoor“, also außerhalb von Gebäu-
    den nötig. Wird dabei von einer „indoor“-Versorgung abgesehen, könnte der Strom-
    verbrauch der Funknetze um mehr als 60 % gesenkt werden (und natürlich auch die
    Strahlenbelastung).
    Auch bezgl. der Hardware und der begehrten Ressourcen ist es bislang nicht mög-
    lich, den ökologischen Fußabdruck der Funktechnik in den Griff zu bekommen.
    Ein angemessenes staatliches Recyclingsystem gibt es nicht.
    Außerdem herrschen in den hauptsächlichen Herkunftsländern unterdrückerische,
    kriegerische oder unsoziale Zustände (Afrika, China).
  • für Kinder und Jugendliche
    Besonders tragisch wirken sich die grenzenlos und mobil verfügbaren Netze bei
    jungen Menschen aus. Sie werden zu einer nicht-altersgerechten Nutzung verführt,
    mit fatalen Sucht-Folgen. Hirnforscher und Krankenkassen zeigen dies in umfang-
    reichen Studien auf, doch sind viele Eltern darüber nicht aufklärt.
    Pädagogen und Kinderärzte kämpfen täglich mit den Auswirkungen (Entwicklungs-
    und Aufmerksamkeitsstörungen, Lernschwierigkeiten, psychische Probleme).
  • für das soziale Miteinander
    Die sog. „sozialen Medien“ existieren nur mit mobilen Geräten. Sie haben in den
    letzten Jahren bei sehr vielen Nutzern ungute Entwicklungen hervorgerufen: Süchte,
    emotionale Abhängigkeiten, intensives Mobbing, sittliche Gefährdungen, Verrohung
    im Umgang mit anderen Menschen und Meinungen, politische fake-news, usw..
  • für Persönlichkeitsrechte
    Der notwendige Datenschutz bei der IKT ist nicht gesichert. Gleichzeitig lässt sich
    mit digitalen Daten viel Geld verdienen und Macht ausüben.
    Der Chaos-Computer-Club Freiburg vergleicht ein Smartphone mit einer „Wanze“.
    In gesundheitlicher Hinsicht wird das Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung nicht
    eingehalten, weil die elektromagnetischen Wellen mit ihrer Energie ungefragt und
    unbegrenzt in die Gebäude (und Menschen) eindringen.
  • Das Ausmaß all dieser Probleme hängt stark von der permanenten und funk-mobilen
    Nutzung der Medien ab, also auch vom Ausbau der immer und überall verfügbaren
    Funknetze.
    Zugleich werden alternative, nutzungshemmende, aber viel sicherere
    Kabelverbindungen unattraktiv gemacht.
  • Es ist unverantwortlich, dass Netzbetreiber, Ministerien oder die Presse sich um die
    genannten Probleme und Risiken nicht kümmern, von Unbedenklichkeit reden
    und den funk-digitalen Ausbau gemeinsam mit den Konzernen immer weiter vorantreiben.
  • Wenn aber die Verantwortung für Vorsorge und schützende Maßnahmen allein
    auf die Nutzer abgewälzt wird, muss zumindest eine intensive Aufklärungsarbeit von den öffentlichen Stellen geleistet werden, – selbstverständlich auch in Freiburg